Kritik an Weltwärts

Wie immer kann man an jeder Sache gute und schlechte Seiten finden, so auch bei weltwärts. Es gibt Kritik, die berechtigt ist und Kritik, die so nicht stimmt. Ich kann sie teilweise nachvollziehen und trotzdem fahren ich weg. Darum geht dieser Artikel.

Nach dem Beginn des weltwärts-Programms 2008 gab es viel Kritik, auch und vor allem grade von deutschlandweiten Zeitungen. So schreibt die Süddeutsche Zeitung in dem Artikel „Egotrip ins Elend“ von „glorifizierten Backpacker-Trips“, „Mutter-Theresa-Syndromen“ und Freiwillige, die oft in „Sex, Drogen und Rock 'n' Roll“ abrutschen. Cap-Anamur-Gründer Rupert Neudeck bezeichnet die Freiwilligendienste als „ein über Steuergelder finanziertes Tourismus-Programm“. Aber was genau kritisieren sie und vor allem, haben sie recht?

Der erste Kritikpunkt ist häufig, dass sich Abiturient*innen als Entwicklungshelfer*in auf den Weg machen und die Welt verbessern wollen.

Da wissen wohl andere mehr als wir, denn unser Ziel ist es weder Entwicklungshelfer*in zu sein, noch die Welt zu verbessern. Dazu sind wir gar nicht in der Lage. Weltwärts ist ein entwicklungspolitischer Lerndienst, es ist also nicht unsere Aufgabe anderen Leuten zu sagen, wie sie besser leben können oder ihnen sogar unsere Werte aufzudrücken. Ich habe keine Ahnung, wie man in Lomé am besten Gemüse anpflanzt oder was die beste Erziehungsmethode für meine Einsatzstelle ist. Das wissen die Leute vor Ort am besten. Aber ich kann Teil des Ganzen werden, ich kann mit meinen ganz persönlichen Fähigkeiten unterstützen und wenn dann am Ende des Tages jemand lächelt und glücklich ist, habe ich viel getan. Nicht, um den Welthunger und die Probleme Togos zu lösen, aber um auf einer ganz kleinen Ebene zu helfen. Wir bezeichnen uns nicht als Entwicklungshelfer*in, weil wir keine sind und auch nicht den Anspruch haben in den nächsten Monaten eine*r zu werden.
Und wenn wir keine Entwicklungshelfer*in sind, was machen wir dann? Wir lernen. Wir lernen einen Alltag und ein Leben kennen, das wir so nicht kennen. Natürlich werden wir da auch auf Probleme stoßen, denn trotz all der positiven Seiten der Länder des Globalen Südens, leiden grade sie unter den Auswirkungen der Globalisierung. Wir lernen aber nicht nur etwas über Probleme, sondern auch ganz neue Möglichkeiten kennen, die wir so hier in Deutschland nie kennengelernt hätten.
Darum hört mein Jahr auch nicht auf, wenn ich wieder komme. All das Gelernte bringt nichts, wenn ich es nicht nachhaltig nutze. Nachhaltig nutzen heißt von meinen Erfahrungen zu berichten, zu informieren und so Rassismus und Vorurteile zu bekämpfen. 
Ein weiterer Punkt ist, dass es keinen Austausch gibt, sondern, dass das Ganze sehr einseitig ist. Absolut richtig. Es gibt zwar seit 2013 einen Süd-Nord-Austausch als Pilotprojekt, bei dem Leute aus Ländern des Globalen Südens nach Deutschland kommen. Die Zahlen sind aber noch lange nicht so hoch wie andersrum und auch die Motivation von der deutschen Seite ist eher fraglich. Der Versuch ist aber da. Das ganze soll keine Ausrede sein, aber nur, weil es auf der einen Seite nicht funktioniert, wird die andere Seite dadurch nicht schlechter. 
Und warum nicht einfach das Geld, welches in die Freiwilligendienste investiert wird, direkt an die Länder überwiesen? 
Weil das nicht Sinn der Sache ist. Wenn 'wir', also Industrienationen, einfach Geld, zum Beispiel nach Togo, schicken und dort in die Bildung stecken, nehmen wir den Druck von der togolesischen Regierung, sich selbstständig um diesen Bereich zu kümmern.
So aber tragen wir zur Bildung bei. Nicht finanziell, aber zumindest interkulturell. Toleranz und Akzeptanz zu fördern, ist ein großer Teil der Bildung.
Bildung spielt auch in Deutschland eine große Rolle. Weltwärts wird auch oft als Elite-Programm beizeichnet und Zahlen belegen, dass der Punkt nicht ganz falsch ist. Knapp 70% der Teilnehmer*innen sind weiblich, 92% haben Abitur oder eine Allgemeine Hochschulreife, aber nur 5% haben eine abgeschlossene Berufsausbildung. Weniger als 10% haben eine Behinderung und nur 12% einen Migrationshintergrund. Es zeigt sich also eine große Chancenungleichheit, die man verändern muss. Erste Projekte, die sich zum Beispiel auf die Arbeit mit Freiwilligen mit Behinderung konzentrieren. Noch muss viel getan werden, aber wie alles im Leben, ist auch das ein langsamer Prozess.

Es gibt noch mehr Kritikpunkte, ich kann aber nicht alle hier aufzählen. Ich werde euch noch ein paar Links hinterlassen, damit ihr euch bei Interesse noch weiter informieren könnt.
Ich fahre trotzdem nach Togo, weil ich nicht glaube, dass Freiwilligendienste nur Schaden anrichten, sondern das sie auf einer kleinen Ebene etwas bringen. Und genau auf dieser Ebene möchte ich etwas bewirken. Es wäre naiv zu glauben, dass das Leben ohne mich in Togo nicht funktionieren würde. Ob ich es will oder nicht, ich bin diejenige, die am meisten von diesem Jahr profitiert. 

Linkliste:
1. Ein weiterer Umgang mit der Kritik von einem Freiwilligen: http://guacamaya.jimdo.com/wi-e-v/weltw%C3%A4rts/ ;Letzter Zugriff: 23.08.2016, 17.39

2. Egotrip ins Elend, Süddeutsche Zeitung, 5teilig: http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/24384
http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/24384/2
http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/24384/3
http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/24384/4
http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/24384/5 ; Letzter Zugriff: 23.08.2016, 17.42

3. DED setzt sich mit der Kritik auseinandersetzt: http://www.epo.de/index.php?option=com_content&view=article&id=6454:ded-weltwaerts-kritik-ist-unsinn&catid=75&Itemid=131 ; Letzter Zugriff: 23.08.2016, 17.45

4. Ein weiterer Artikel: http://www.fr-online.de/wirtschaft/freiwilligendienst--weltwaerts-nutzlos-,1472780,4612874.html ; Letzter Zugriff: 23.08.2016, 17.46

5. Auch die Zeit setzt sich mit dem Thema auseinander: http://www.zeit.de/gesellschaft/2009-09/weltwaerts-entwicklungshilfe-freiwillige/komplettansicht ; Letzter Zugriff: 23.08.2016, 17.48

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