Donnerstag, 22. Dezember 2016

Manchmal nimmt das Leben Strecken, die man nicht kennt - dann folgt man blind und passt sich an.

Hallo meine Lieben,

nach einer etwas längeren Pause melde ich mich auch mal wieder bei euch. In letzter Zeit ist viel passiert und ich wollte mich immer wieder melden, hab es aber doch nie geschafft und jetzt nehme ich mir die Zeit. Auch, weil ich schreiben muss. Es wird ein langer Post, auch, weil ich in der letzten Woche viel erlebt und viel in Frage gestellt habe.

Bevor ich aber Sachen in Frage stellte, meldete sich erst mal meine Gesundheit. Eigentlich hätte ich den letzten Sonntag – nicht der 18., sondern der 11. - arbeiten sollen, aber dann hatten doch meine Augen was dagegen. Verspätet war auch ich mit der Bindehautentzündung dran und hatte an dem Morgen verschleimte Augen. Damit fiel das Arbeiten aus und ich saß einfach nur Zuhause. Christian, ein Freund von uns, ist auf meine Frage hin, welche Apotheke denn an einem Sonntag aufhabe, für mich losgefahren und hat Medikamente besorgt. Er ist wirklich ein Schatz!

Auch den Montag habe ich mich ausgeruht, den Dienstag war ich aber mit Alina früh auf den Beinen. Wichtelgeschenke wollten besorgt werden und was bietet sich da besser an als mein Ruhetag und Alinas freier Vormittag? Und was bitte ist schon eine Bindehautentzündung? Ich hatte eh nur schwache Symptome. Weil das aber ja noch nicht genug an Krankheiten/Verletzung war, ist ein Moto mit seinem Auspuff an mein Bein gekommen und hat mich da verbrannt. Ihr wollt keine Bilder davon, obwohl es mittlerweile schon besser aussieht. Zwischendurch wirkte es entzündet, aber das vom am Donnerstag aufgesuchten Arzt verschriebene Antibiotikum hat geholfen.
Wir sind trotzdem auf dem Markt geblieben – es ist passiert, als wir grade angekommen sind – und wurden von einem netten Togoer zur Apotheke geführt, in der ich Brandsalbe zur ersten Versorgung bekommen habe. Immerhin einen Erfolg gab es - dass sowohl Alina als auch ich unsere Wichtelgeschenke bekommen haben.

Wieder gesund – zumindest die Augen – war das Programm am Wochenende erst stressig und dann völlig ungeplant.
Am Freitag bin ich erst kurz zur Arbeit und habe meinen Urlaub beantragt – es gibt Reisepläne – und dann ins lycée zum Deutsch Club. Schnell nach Hause und umziehen, in Patricias Schule gab es eine Weihnachtsfeier und Valentina hat den Weihnachtsmann gespielt, so etwas kann man nicht verpassen. Außerdem wollte ich unbedingt mal sehen, wo Patricia arbeitet. Sie ist nämlich in einer Privatschule und ich war gespannt, ob man einen Unterschied bemerken würde. Um das genau zu sehen, müsste ich wahrscheinlich nochmal mit, aber schon am Freitag ist aufgefallen, wie gut selbst die Kleinen in Französisch sind, weil sie es oft Zuhause sprechen, während der Großteil der Kinder sonst mit ewe oder mina aufwächst und französisch erst in der Schule lernt. Trotzdem sind Kinderaugen, die strahlen, wenn sie den Weihnachtsmann sehen, immer schön.
Von dort ging es direkt weiter – unterwegs habe ich noch schnell beignes (ganz leckeres Essen, irgendwas mit Bohnen und Teig und frittiert) geholt und bin weiter zum Tanzkurs. Getanzt und geschwitzt und schon ging es wieder nach Hause. Unterwegs habe ich mich mit koliko (Yamswurzeln frittiert, so ähnlich wie Pommes) eingedeckt. Duschen und facetimen mit meiner Familie, die bei meiner Oma zu Besuch war. Nicht, dass der Tag eh schon voll war, aber dann ging es direkt weiter. Am Freitagabend war nämlich der Abschied von den Französinnen, die auch beim Tanzkurs sind. Gut, es dauerte ein bisschen, bis wir es gefunden hatten, wir wurden aber total lieb aufgenommen. Trotzdem bin ich schon um 1.00Uhr zurück, weil der Tag selber echt anstrengend war und ich am nächsten Tag um 8.00Uhr auf der Arbeit sein sollte.
Da war ich zusammen mit Patricia, die sich mal mein Projekt angucken wollte. Am Vormittag sind wir mit drei der Jungs Mango pflücken gewesen. Auf dem Gelände gibt es nämlich mindestens fünf Mangobäume und grade in der Mangozeit muss man das ja mal ausnutzen. Es gab einen ganzen Sack voll mit Mangos und zwei Früchte vom Affenbrotbaum für die WG.
Auf der Arbeit habe ich mich noch umgezogen. Eigentlich wollten wir uns nämlich an der Ecke mit den vielen Taxen mit den Mädels treffen, weil es noch ein volles Abendprogramm gab. Die Mangos aber wollten nach Hause gebracht werden und deswegen haben uns uns doch dort getroffen.
Einer der Jungs hat nämlich ein neues Restaurant aufgemacht und am Samstag war die Eröffnung die wir natürlich nicht verpassen wollten. Er war auch total froh uns zu sehen und wir haben die Pizza genossen. Der Abend war aber noch immer nicht vorbei, weiter ging es zur anderen WG. Tabea, eine Mitfreiwillige, ist nämlich am Sonntagmorgen nach Hause geflogen. Sie hatte chronische Magenprobleme und jetzt wird versucht in Deutschland eine Lösung zu finden, so dass sie dann so bald wie möglich wiederkommen kann. Es war nochmal schön zusammen zu sitzen und zu reden. Am Ende saßen noch Valentina und ich zusammen mit Sjard auf der Dachterrasse. Erst gegen 2.00Uhr haben wir uns langsam auf den Weg gemacht und weil es nur 10min waren, beschlossen wir zu laufen.
Das hat sich als großer Fehler herausgestellt, denn wir sind in unserer Straße von zwei Männern überfallen worden. Glücklicherweise ist uns nichts passiert und wir sind unverletzt, es sind nur unsere Taschen weggekommen. Nichts, was man nicht ersetzen könnte. Das Ganze war für uns beide, aber auch für alle anderen ein großer Schock.
Es hat aber auch gezeigt, was für tolle Menschen hier mit uns sind. In der Nacht – auch unsere Schlüssel waren in den Taschen – haben wir Patricia, Alina, Cindy und Stella aus den Betten geklingelt, die sich dann rührend um uns gekümmert haben. Auch M Sani kam noch in der Nacht vorbei, um zu gucken, wie es uns geht.
Am nächsten Tag war es vor allem Christian, der ganz viel Zeit mit uns verbracht hat. Erst war er mit bei den beiden Polizeirevieren, bei denen wir waren und dann noch am Abend bei uns. Schon am nächsten Tag zum Frühstück kam er wieder und blieb den ganzen Tag. Er war dabei, als wir Handys und Simkarten kaufen waren, hat mich zur Arbeit gefahren - um denen sagen zu können, dass ich zwar um 17.00Uhr kommen werde, aber nicht übernachten will – und hat mich dort auch am Abend wieder abgeholt. Auch sonst hatten wir viel besorgten Besuch, der Valentina und mich gut ablenken konnte. Im Projekt war natürlich auch schnell klar, dass etwas passiert ist – Ma Mara, wo ist dein Handy? Ma Mara, warum bist du heute so traurig – und ich habe ihnen erklärt, was passiert war und das ich deswegen auch nicht über Nacht bleiben werden. Und kaum wussten sie es, hatte ich 19 besorgte und entsetzte Jungs um mich herum, die nicht wollten, dass ich nachts nach Hause fahre, bei ihnen ist es doch so viel sicherer und sie sind stark.
Trotz all dem Schrecklichen, sind so viele Leute für uns da und hören uns zu, trocknen Tränen und lenken ab. Ohne all diese Leute und vor allem ohne Valentina, wäre alles so viel schrecklicher. Sie hat auch alles geregelt, als wir bei der Polizei waren, dort war sie diejenige, die die Geduld hatte jede Frage fünfmal zu beantworten, und das auf französisch.

Das Leben geht aber natürlich trotz des Stresses weiter. Unter anderem haben wir gewichtelt und ich war der bei der Weihnachtsfeier des Deutsch Clubs im lycée und beides war so schön!
Erst am Dienstagabend das Wichteln auf unserer Dachterrasse, wofür wir unseren Adventskranz unter aller Vorsicht nach oben getragen haben und eine Asia-Reispfanne gekocht wurde.
Wir haben alle super schöne Geschenke bekommen. Ich habe an Lea eine kleine Box aus Holz verschenkt, in die kleine Dinge sollen, die dann mit nach Deutschland kommen und sie dort an dieses Jahr erinnern werden. Und ich habe von Lea eine kleine Tasche aus pagne und ein Armband, das immer auf mich aufpassen soll, zusammen mit einem Brief bekommen. Ja, wir haben uns gegenseitig gezogen. Stella und Alina hatten genau das gleiche. Was bei nur 8 Leuten natürlich wahrscheinlicher ist als sonst, aber gleich zweimal ist schon witzig. Auch sonst war es eine echt tolle Atmosphäre.

Am Mittwoch ging es am Nachmittag ins lycée, mit mir kamen Sjard, Patricia, Lea, Valentina und Lena. Und es hat sich echt gelohnt. Es fing klassisch mit Weihnachtsliedern und der Geschichte von Jesus Geburt los, wurde dann aber schnell zu einer Show mit Rap, verschiedenen Tanzgruppe und einer richtig, richtig guten Break Dance Vorführung. Zwischendurch war ich ein wenig verwundert, weil die Jungs vorher meinten, dass wir auf der Weihnachtsfeier auf jeden Fall tanzen werden und ich mich gefragt habe, wann das denn bitte wo stattfinden soll. Und dann kam das offizielle Ende, was noch lange nicht bedeutete, dass alle nach Hause gegangen sind. Nein, die Bühne wurde gestürmt und wie ich es den Jungs versprochen hatte, war ich auch mit dabei. Zumindest kurz, weil Patricia und ich dann weiter zum Tanzkurs gegangen sind.

Und da sind sie, die Mangos! Und die zwei Früchte vom Affenbrotbaum, erkannt?

Meine Jungs und ich. Hinten sind Jules und Wilfried, links neben mir Dieu-Donné, rechts neben mir Sam und Maurice und vor mir Koffa

Von Jules gemacht und von Romeo bearbeitet. Hinten sind Wilfried und Sam, links von mir immer noch Dieu-Donné, schräg hinter mir stehen Romeo und Maurice und vorne kniet Timoté

Wichtel-Dachterrasse

Und da ist unser Adventskranz/Weihnachtsbaum mit Geschenken

Entdeckt ihr die Valentina? Sie versteckt sich im Weihnachtskostüm

Unser Adventsfrühstück, später kam auch noch Obst hinzu

Igance großer Auftritt als Wirt

Seht ihr unsere strahlenden Augen? Wir sind glücklich!

Tadaa last but not least, unser neuer Stolz das Regal!

Magic-Moment der Woche: Alinas und meine Zimmerlampe, ein Thema für sich. Letztens erst hatte sie Urlaub, ohne es vorher anzumelden und kam nach zwei Wochen wieder. Heißt, sie hat zwei Wochen nicht funktioniert. Und jetzt schon wieder, aber der Magic-Moment – kaum drückt man mal aus Gewohnheit wieder auf den Lichtschalter, funktioniert die Lampe wieder. Wir versuchen jetzt durchzusetzen, dass der Urlaub angemeldet wird.

Regal-Moment der Woche: Ewig schon wollten wir ein Regal für die Küche, damit die Sachen nicht mehr alle auf dem Boden oder unserem improvisierten Regal aus Bierkästen und Kartons stehen und dann war es endlich so weit. Wir hatten es zu der Schreinerei um die Ecke geschafft und einen Tag später wurde das Regal geliefert. Unser Glück können wir noch nicht fassen – ok, vielleicht ein bisschen übertrieben, aber es sieht deutlich wohnlicher aus.

Advents-Moment der Woche: Es ist der dritte Advent, ich bin schon seit fünf Uhr wach, weil meine Augen mich nerven und gucke Wilde Kerle 4 und 5, irgendwann sind auch die anderen wach und es gibt ein Adventsfrühstück. Wer hatte am zweiten Advent die Kerze angezündet? Richtig, niemand. Dafür durften wir dann zwei auf einmal anzünden.

Anti-Weihnachts-Moment der Woche: Es ist über 30°C, der Schweiß läuft uns wie so oft den Rücken runter und es läuft Jingle Bells, während die Weihnachtsdeko die Bühne schmückt und die Geschenke auf die Kinder und diese Kinder auf den Weihnachtsmann warten. Das passt alles nicht zusammen.

Facetime-Moment der Woche: Da sitzt meine Familie um den Tisch rum und isst Pizza. Ich sitze vor meinem Handy und esse auch, nur keine Pizza. Wir reden und lachen, so als wäre ich nicht im viel zu warmen Lome, sondern mit bei ihnen und würde mich in meinen dicken Pulli einkuscheln.

WG-Moment der Woche: Wir sitzen auf der Dachterrasse mit vollgegessenen Bäuchen und Geschenken um den Adventskranz. Wir nutzen die Gelegenheit und sprechen über die Dinge, die uns auffallen – wohin verschieben wir den Esstisch, damit das vorderste Zimmer nicht immer gestört wird und können wir bitte immer die Türen zum Balkon abschließen? Es ist nicht unangenehm, alle Meinungen werden gehört und mit einbezogen. Was bin ich dankbar für unser Diskussionsklima! Und dann kommen Lacher auf, als wir unsere Vorstellungsnachrichten in der Togo-Gruppe lesen.


Liebste Grüße einer-im-Moment-frustrierten-und-viel-zu-verarbeiten-habenden-aber-sich-bestimmt-nicht-unterkriegen-lassenden,

Mara <3

PS.: Wir fahren jetzt erstmal im Urlaub, was bedeutet, dass ich mich erst im nächsten Jahr wieder melden werde. Lasst alle den Kopf nicht hängen, das mach ich auch nicht, und keine Sorge. Ich bin noch nicht ganz wieder die Alte, aber auf einem guten Weg dahin.

Ich wünsche euch schöne Feiertage, genießt die Kälte, den Schnee (?) und die Zeit mit euren Familien und rutscht gut ins neue Jahr, ohne wirklich auszurutschen!  

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