Donnerstag, 6. Oktober 2016

Vom Barfuß-Laufen und ernsten Themen - wenn das Leben ein Leben wird

Hallo meine Lieben,

wieder ist ein bisschen Zeit vergangen, da kann man sich ja schonmal melden. ;) Ich bin mittlerweile etwas über einen Monat hier in Lomé und ich habe immer noch nicht richtig gearbeitet. Aber das kommt. Courage, courage wie M. Sani immer so schön sagt. Und mittlerweile ist es auch absehbar, was das ganze erträglich macht.

Am Montag sollten Sjard und ich unseren Direktor treffen, aber dreimal dürft ihr raten, wer nicht da war. Also sind wir wieder nach Hause, was mir Zeit gegeben hat mich auf den Abend vorzubereiten. Ok, das stimmt nicht ganz, weil ich den Tag eher so vor mich hin habe plätchern lassen. Bis ungefär 17.00Uhr. Denn am Montag war bekannterweise – oder auch nicht – ja der 3. Oktober und wir wurden in die Botschaft eingeladen. Wir, heißt alle 'Landsleute' – so steht es auf der Einladung. Und wir durften Gäste mitnehmen. Also ging es mit unserer Schweizerin und den Jungs von ASEVEC los, ab in den Garten der Residenz – auch das steht genauso auf der Einladung. Durch die Sicherheitskontrolle, abhaken auf der Gästeliste (ich stand noch nie auf irgendeiner Gästeliste und dann direkt bei der Botschaft), dem Botschafter und seiner Frau die Hand schütteln und schon waren wir im Garten. Es waren gar nicht so viele Leute da, was das ganze sehr entspannt gemacht hat. Die größte Gruppe bestand definitiv aus Freiwilligen! Es war total schön sich mit ihnen auszutauschen.
Der Abend begann mit einer kleinen Rede und ohne Nationalhymne, weil die Technik nicht mitgespielt hat. Meine Enttäuschung hielt sich in Grenzen. Seitdem wir die Einladung bekommen hatten, freuten wir uns auf das Essen. Und dann wurde das Buffett eröffnet und diesmal hätte meine Enttäuschung nicht größer sein können. Ganz, ganz viel Fleisch und ein bisschen Salat. Gut, dass ich kein Fleisch esse. Die Waffeln, die es zum Nachtisch gab, hätten auch besser sein können. Aber man soll ja nicht meckern. Wir haben das Beste draus gemacht und die Tanzfläche besetzt. Später saßen wir auf dem Rasen. Auch noch, als erst die Musik und dann ein Teil der Lichter ausgemacht worden sind. So schnell wird man uns eben nicht los. Irgendwann aber dann schon und wir mussten 3 Taxen für unsere Gruppe finden. Gar nicht so einfach, aber auch nicht unmöglich.

Der Dienstag war schon wieder ohne eine wirkliche Aufgabe – bis am Nachmittag die Jungs vorbei kommen. Mit einem Plan, den wir vorher zusammen geschmiedet hatten. Es fand nämlich in Lomé das Fußballspiel zwischen Togo und Uganda statt und wir sind natürlich hin. Es ist zur Vorbereitung auf den Afrikacup, der nächstes Jahr in Gabun sein wird, auf den wir uns auch schon mega freuen!
Ansonsten war das Spiel und alles, was dazu gehört, eher eine sehr durchmischte Erfahrung. Wir waren ein bisschen spät dran – wie eigentlich immer – und waren auch nicht alleine, viele wollten noch ins Stadion, als das Spiel schon angepfiffen wurde. Alle wollten so schnell wie möglich rein, was ja schon verständlich ist. Aber dann wurde die Sicherheitskontrolle einfach mal überrannt und ich war mitten im Pulk. Es war gar nicht gefährlich, sondern einfach super unübersichtlich und schon war ich durch. Die Ticketkontrolle haben dann Soldaten gemacht, was ich super komisch fand. Und schon wieder wollten alle gleichzeitig durch den kleinen Eingang, ohne Rücksicht auf die Kinder zu nehmen. Ich kann ja nachvollziehen, dass man schnell ins Stadion will, aber so ist es auch nicht richtig. Naja, sieben Minuten zu spät saßen wir auf jeden Fall – was ja nicht mal viel ist – und in der Zeit war auch nichts passiert. Was total cool war und zu einer super schönen Atmosphäre beigetragen hat, waren die drei oder vier Gruppen, die die ganze Zeit durch getanzt und Musik gemacht haben, alles natürlich choreographiert. Und die Vuvuzelas, die überall zu hören waren. Togo hat dann das Spiel auch 1:0 gewonnen.

Am Mittwoch konnten Sjard und ich dann endlich unseren Direktor kennenlernen. Unser Direktor ist super nett und wir haben über uns, das Projekt und unsere Arbeitszeiten geredet. Sowas motiviert mich generell immer, jetzt muss nur noch der 15.10. kommen, da werden die Jungs nämlich ins Internat ziehen und die Arbeit geht endlich los. Vorher müssen wir nur einmal am 12. in, um die Ankunft vorzubereiten.
Und wie ist das jetzt im Projekt? Wir haben Jungs aus drei verschiedenen Kategorien. Die erste Kategorie sind Jungs, die irgendwie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind – meist Diebstahl – und für die das centre eine zweite Chance ist. Zur zweiten Kategorie gehören Jungs, die aus verschiedesten Gründen nicht mehr bei ihren Eltern leben können, oft sind die Eltern Drogenabhängig. Die letzte Kategorie sind Jungs, die Verhaltensauffällig sind. Ich bin mal gespannt, wer wo dazu gehört und wie gut ich mit ihnen klarkomme. Ich habe aber grade bei unserem Direktor ein echt gutes Gefühl. Natürlich weiß ich jetzt schon, dass es Probleme geben wird. Spätestens, wenn ich das erste Mal mitbekomme, wie einer der Jungs geschlagen wird. Nichts, hinter dem ich stehe, aber es gibt kaum ein Projekt, in dem das nicht so ist. Damit setze ich mich aber genauer auseinander, wenn ich es wirklich tun muss, vorher habe ich keine Energie dazu. Und dann werdet ihr darüber bestimmt auch informiert. Andererseits meinte unser Direktor auch, dass wir zu ihm kommen können und z.B. auch nochmal über die Arbeitszeiten reden könnten.
Erstmal fangen wir aber entspannt an, 5 Tage die Woche nur tagsüber. Heißt hab 10.30, weil die Jungs vorher alle in der Schule oder bei ihrer Ausbildung sind und dann bis ca. 17.00Uhr. Erst nach einem Monat Eingewöhnung, wenn die Jungs uns kennengelernt haben und andersrum, fangen wir mit unseren 24h Schichten an. Dann arbeiten wir von 8.00Uhr bis 8.00Uhr am nächsten Tag. Wenn wir dann am vierten Tag wiederkommen, geht es wieder von vorne los. Ihr werdet aber natürlich auf dem Laufenden gehalten!
Nachmittags konnten Alina und ich unsere Kleider abholen! Wir waren super aufgeregt und sind beide mega zufrieden. :) Dann kam der Ewe-Kurs, den wir leider erstmal aus organisatorischen Gründen aussetzen müssen und schon waren wir wieder Zuhause. Was den Tag bzw. Abend noch nicht beendet hat. Alina, Anicet, Chryst und ich – ich habe beschlossen Namen zu benutzen, weil die Jungs es verdient haben erwähnt zu werden und nicht namenslos sind – waren beim Goethe-Institut und haben ein Theaterstück zum Thema Geflüchtete gesehen. So naiv es auch ist, war es total interssant mal die 'andere' Seite zu dem Thema zu sehen. Danach drehte sich unser Gespräch auch um das Thema und die Jungs meinten, dass eigentlich alle gehen wollen und der Traum im Tod endet, zumindest für die meisten. Auch wenn mir das irgendwie klar war, war mir nie bewusst, wie real die Gefahr doch ist. Und es sind nicht nur die kenternden Boote im Mittelmeer.
Wir sind noch in eine kleine Bar gegangen und hatten ein echt tolles Gespräch über Vorurteile, Gründe für ein Auslandsjahr, Entscheidungsfreiheit, wiedereinmal Freundschaft und Privilegien, die man hat, wenn man z.B. in Deutschland aufgewachsen ist. Und über die Zukunft. Wobei wieder auffällt, wie viele doch an Kinder denken und für sie etwas ändern wollen. Damit werde ich mich definitiv nochmal genauer auseinandersetzen. Einfach, weil es mich so unglaublich beeindruckt. Um den Abend abzurunden und die Ernsthaftigkeit ein bisschen in den Hintergrund zu rücken, sind Alina und ich erstmal schaukeln gegangen, was die Jungs super lustig fanden.

Ich kam natürlich wiedereinmal viel zu spät auf die Idee ein Bild zu machen, weswegen es so dunkel ist. Aber so sah der 'Garten der Residenz' aus, als wir am Montag da waren. 

Sind das etwas Fußballtickets?

Auf dem Weg zu Sicherheitskontrolle, die vor der Treppe war. Keine zwei Minuten später war sie kurzzeitig ausgesetzt - oder so

Das Stadion - und ja, es war ziemlich leer, aber trotzdem laut.

Eine der Animationsgruppen war direkt unter uns! Vielleicht war es deswegen so laut?

Beim Theater. Und ja, ich habe das Bild erst gemacht, als das Stück schon vorbei war und die Schauspieler sich verbeugt haben. 


Verunsichernster-Moment der Woche: Soldaten mit Schlagstöckern, die einen ernst angucken und Tickets abreißen. Und dann kamen wir durch, ohne Probleme und mit uns auch alle anderen. 

Feierbarster-Moment der Woche: Das Tor fällt, ein Stadion dreht durch. Jubelschreie, aufspringende Menschen und Vuvuzelas, die nicht leise werden. Animationsgruppen, die nochmal einen oben drauf setzen und noch mehr Party machen. Spieler, die sich zusammenfinden und im Kreis tanzen, um dann geschlossen wieder in die eigene Hälfte zu gehen. Und wir mittendrinnen.

Freiheitsgefühl der Woche: Barfuß über den Rasen, barfuß auf die Tanzfläche und barfuß an den Strand wollend.

Kindheits-Moment der Woche: SCHAUKELN! Wann habe ich das bitte zum letzten Mal gemacht? Ok, wahrscheinlich ist es gar nicht so lange her, aber nachts, nach einem unglaublich intensiven Gespräch in die Luft zu fliegen und mein Gefühl der Freiheit zu haben, war ein mehr als schöner Abschluss für einen intensiven Abend. Danach habe ich mit Alina um die Wette gelacht, was haben wir schöne Kindheitserinnerungen!

Liebste Grüße einer-eine-immer-intensivere-Zeit-erlebenden,

Mara <3


P.S.: Die Jungs haben unseren nächtlichen Ausflug zum Strand verhindert, es ist viel zu gefährlich. Also ein Jahr ohne nächtliche Strandbesuche, obwohl wir direkt dran sind. Safety first!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen